Smart Meter als Nukleus für neue Produkte
In der Diskussion zur Digitalisierung der Geschäftsmodelle von Energieversorgern wird der Smart Meter immer häufiger in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. So sagte bspw. Trianel-Chef Sven Becker in einem Interview mit der ZfK, Smart Metering sei der Schlüssel, um die eigene Beschaffung zu optimieren, die Bedürfnisse der Kunden zu antizipieren und die Synchronisation immer volatilerer Einspeisung mit dem Verbrauch effizient zu managen. Deshalb plädiert er dafür, dass Versorger die Vorteile der intelligenten Zähler trotz der bestehenden regulatorischen Unsicherheiten bereits heute nutzen sollten.
Auch EWE-Vertriebsvorstand Matthias Brückmann sieht im Smart Metering mehr als die reine Verbrauchsmessung und –visualisierung. Die Geräte sollten als „Datenkraftwerke“ verstanden werden, die den Rohstoff für neue Geschäftsmodelle und Vertriebsstrategien liefern.
Smart Meter liefern Daten zum Kundenverhalten
Vor allem gegenüber branchenfremden Wettbewerbern wie Google, Apple oder Amazon, fehlt es den Energieversorgern an Informationen über das Verhalten und die Präferenzen ihrer Kunden. Wo Google über Daten aus Suchmaschinenanfragen, eingegangenen E-Mails und den Standortverlauf des Mobiltelefons genau weiß, welche Reise gebucht wurde, welche Produkte online gekauft wurden oder ob sich der Android-Nutzer gerade zu Hause oder am Arbeitsplatz aufhält, kennt der Energieversorger gerade einmal vertragsrelevante Informationen, aus denen sich das Interesse an einem effizienten Kühlschrank oder einer Gebäudesanierung kaum ableiten lässt.
Der Smart Meter kann hier Abhilfe schaffen, denn er bietet - sehr kurze Messintervalle vorausgesetzt - eine Fülle von Informationen, die für individuelle und ergänzende Angebote von Bedeutung sein und eventuelle Wettbewerbsnachteile gegenüber neuen, branchenfremden Konkurrenten, ausgleichen können.
Wenn auf Basis von Smart Meter-Daten bspw. bekannt ist, wann die Haushaltsmitglieder an- und abwesend sind und wann sie bevorzugt Wäsche waschen oder kochen, könnten bspw. individualisierte Tarife angeboten werden, die sich an den Gewohnheiten der Bewohner orientieren.
Vor allem lassen sich aber Cross- und Upselling-Potenziale identifizieren. Da man anhand der Verbrauchsprofile auch auf einzelne Haushaltsgeräte zurückschließen kann, ist es z.B. möglich festzustellen, ob Kühlschrank oder Tiefkühltruhe noch effizient sind oder gegen ein neues Gerät ausgetauscht werden sollten. Anhand der individuellen Lastprofile werden zudem sehr konkrete Hinweise generiert, ob für den Haushalt eine PV-Anlage in Frage kommt und wie groß diese und ein ggf. ergänzender Speicher optimalerweise sein müssten. Bei generell überhöhten Verbräuchen in Verbindung mit Daten zum Gebäude, in dem der Kunden wohnt, könnten sogar Sanierungspotenziale ermittelt werden.
Verbreitung noch gering
Ungeachtet der vertrieblichen Potenziale, die sich aus der Nutzung intelligenter Zähler ergeben, waren Ende 2013 laut Bundesnetzagentur erst ca. 270.000 fernauslesbare Zähler im Einsatz. Aktuell geht der Bundesverband Neue Energiewirtschaft von etwa 400.000 bis 500.000 Smart Metern in Deutschland aus.
Entsprechend verwundert es auch nicht, dass nur wenige Versorger ihren Kunden dynamische Tarife anbieten. Derzeit haben laut ene't nur 98 von insgesamt 843 Grundversorgungsunternehmen einen Tarif im Angebot, der einen Anreiz zur Energieeinsparung oder zur Steuerung des Energieverbrauchs setzt, wie es das Energiewirtschaftsgesetz vorschreibt. Bei den reinen Vertriebsgesellschaften findet sich überhaupt kein derart gestalteter Tarif.
Diejenigen Versorger, die bislang einen „smarten“ Tarif offeriert haben, boten meist jedoch nur Tarife mit unterschiedlichen Zeitzonen, aber dennoch festen Preisen, an. Wirklich smart waren die Angebote bislang selten.
Rollout kann bereits heute sinnvoll sein
Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung der Energiebranche bietet der Einsatz von Smart Metern heute enorme Potenziale, die weit über die Fernauslesung und die Erstellung einer monatlichen Abrechnung hinausgehen. Dazu müssen die Vertriebe jedoch attraktive Angebote entwickeln, die von den Kunden positiv angenommen. Individuelle Tarife sind dabei ein wichtiger Aspekt. Deren Attraktivität hängt aber auch von den Möglichkeiten zur Preisspreizung ab, die sich nicht nur aus Beschaffungskonditionen und Demand-Side-Management, sondern auch aus gesonderten Netzentgelten ergeben müssten, um attraktiv zu sein.
Darüber hinaus sind natürlich neue, auf den Smart Metern aufbauende, innovative Dienstleistungen notwendig, die zur Attraktivität des Angebots beitragen und die Kundenbindung dauerhaft stärken.
Eine ausführliche Analyse zu den Folgen der Digitalisierung finden Sie im aktuellen Energiemarktreport 2015.
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