Die 5 wichtigsten Themen im Energiemarkt 2024

 

Die ersten fünf Prozent des Jahres 2024 sind fast geschafft. Dennoch stehen wir ganz am Anfang und wagen deshalb einen Ausblick auf die kommenden 350 Tage im Energiemarkt.

Ich habe mal meine persönlichen Top-Themen für 2024 aufgeschrieben und freue mich auf eine konstruktive Diskussion.

  1. Dynamische Tarife

Ab 2025 muss jeder Stromversorger einen dynamischen Tarif anbieten. Bislang tut sich bei den echten dynamischen Tarifen allerdings noch nicht so viel, weil viele Kunden keinen Smart Meter haben und vorerst wohl auch keinen bekommen werden. Wir beobachten allerdings einige interessante Entwicklungen:

  • Das Tarifangebot von dynamischen Tarifen, Vario-Tarifen und sonstigen Produkten, bei denen sich der Preis am Spotmarkt orientiert, nimmt gerade rasant zu und wird weiter steigen.
  • Die Preiskommunikation vieler Anbieter ist nicht sonderlich transparent, da Aufschläge auf den Arbeitspreis gerne in komplizierten Formeln oder in den FAQ versteckt werden. Das Argument „Wir verdienen nichts am Strom“ wird aber oft weiter genutzt.
  • Die Vergleichbarkeit der Angebote wird in Zukunft auf drei Säulen basieren
    • Aufschlag auf den Grundpreis
    • Aufschlag auf den Arbeitspreis
    • Service-Features wie Visualisierung, Analysen, Steuerung usw.

Während sich die Preise gut vergleichen lassen, wird es bei der Bewertung der Features schwierig. Zwar kann man bei bestimmten Kernleistungen feststellen, ob sie vorhanden sind, das wird jedoch nicht ausreichen. Zudem ist nicht nur die Frage, ob die Steuerung von Wallboxen oder Wärmepumpen anhand der Preissignale erfolgt, sondern auch wie gut dies funktioniert.

Insgesamt bedeutet dies eine neue Komplexität der Tarifauswahl mit einer gewissen Unsicherheit darüber, wie das tatsächlich vorhandene Sparpotenzial von HEMS-Systemen auch ausgeschöpft wird.

Versorger müssen 2024 deshalb nicht nur die gesetzlichen Anforderungen an dynamische Tarife erfüllen, sondern sich vor allem sehr gut überlegen, wie sie ihre Produkte im Detail ausgestalten. Es geht hier um die Preisgestaltung, um die Einführung von Energiemanagementsystemen, ggf. vorerst nur für einzelne Anwendungen wie Smart Charging und natürlich um die Frage, welche Rolle das intelligente Messsystem spielen soll.

Nächste Woche erscheint dann unser White Paper zu dynamischen Tarifen!

  1. Smart Meter Rollout

Ende 2022 hatten nicht einmal 45.000 Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch von unter 6.000 kWh (optionale Einbaufälle) ein intelligentes Messsystem. Auch wenn 2023 sicherlich viele Zähler installiert wurden, ist das vermutlich basierend auf den vorhandenen Installationen immer noch kein sehr spannender Markt. Das Kundeninteresse an Transparenz über den Energieverbrauch und auch an dynamischen Tarifen nimmt aber stetig zu. Folglich müssen intelligente Messsysteme zu den Kunden gebracht werden. Der grundzuständige Messstellenbetreiber fühlt sich da häufig noch nicht in der Lage oder in der Verantwortung, neue Player wie Octopus Energy oder Ostrom bieten aber schon Systeme an. Wer einen Smart Meter haben möchte, kann also mittlerweile einen bekommen. Die Erwartungen an die Daten, die dann zur Verfügung gestellt werden, sollten aber nicht zu hoch sein. Üblicherweise bekommt man am Folgetag den Verbrauch des Vortages in ¼-Stunden-Intervallen angezeigt, zum Teil auch nur im Stundentakt. Das bringt bei der Suche nach Stromfressern recht wenig.

Kundenbedürfnisse standen bei der Entwicklung der Messtechnik auch nicht im Mittelpunkt, sondern im Wesentlichen Sicherheitsanforderungen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass immer mehr Geräte auf den Markt kommen, die den Zählerstand auslesen und dann mehr oder weniger in Echtzeit über eine App oder ein Portal zu Verfügung stellen. Hierdurch entstehen auf Kundenseite Mehrwerte, da es sich allerdings immer noch um SLP-Zähler handelt, sind die Anwendung der Zählerstandsgangmessung und eine entsprechende Bilanzierung meist nicht möglich.

Für 2024 erwarten wir steigende Nachfrage nach Smart Metern bei Haushaltskunden, weswegen sich Versorger Gedanken machen sollten, ob und wie sie diesem Kundenwunsch schon jetzt nachkommen können. Spätestens ab 2025 können die Kunden ja ohnehin den Einbau innerhalb von vier Monaten verlangen, bis dahin muss also die Fähigkeit, individuell und zeitnah zu installieren, schon ausgeprägt sein. Gleichzeitig gilt es schon jetzt Mehrwerte für die Kunden zu entwickeln, die über eine monatliche Abrechnung hinausgehen. Das gilt für normale Konsumenten genauso wie für die wachsende Zielgruppe der Prosumer.

  1. EDL Markt

Nach dem großen Hype im letzten Jahr ist die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen zwischenzeitlich stark zurückgegangen. Gründe sind das Ende der Energiepreiskrise, damit sinkende Preise und eine sehr kontroverse Diskussion über das Heizungsgesetz (GEG). Viele Unternehmen, die in den letzten Jahren von dem boomenden Markt profitieren wollten, treten jetzt wieder aus dem Markt aus, wie bspw. die Insolvenzen von Eigensonne, Sonnenwelt und vielen weiteren Playern zeigen.

Der Blick auf 2024 erzeugt dann auch erst einmal gemischte Gefühle. Das Jahr wird wahrscheinlich zumindest im PV-Bereich nicht so gut ausfallen wie 2023. Auch die Nachfrage nach E-Fahrzeugen könnte mit den Wegfall der Umweltprämie erst einmal langsamer wachsen.

Dennoch ist insgesamt Optimismus angesagt:

  • Die Förderung für Wärmepumpen mit hohen Zuschüssen wollen sich sicherlich viele Verbraucher nicht entgehen lassen.
  • Viele Umfragen zeigen ein anhaltend hohes Interesse an PV-Anlagen und Speichern, wobei die teils sehr hohen Prognosen vermutlich etwas zu optimistisch sind.
  • Die E-Mobilität ist nicht mehr aufzuhalten. Es kommen neue, günstigere und leistungsfähigere Fahrzeuge auf den Markt, die Betriebskosten sind ohnehin meist geringer als beim Verbrenner und die Hersteller forcieren mittlerweile den Umstieg, weil sie ihre Flottenemissionen weiter reduzieren müssen.
  • Aus Kundensicht positiv dürfte auch der starke Wettbewerb zwischen den Installationsbetrieben sein, die ihre Mitarbeiter auslasten und ggf. die Lager leeren müssen. Dies drückt die Preise und macht die Investition in PV oder Wärmepumpe attraktiver.

Auch wenn 2024 ein nicht ganz einfaches Jahr für die Branche werden könnte, zeichnet sich doch insgesamt ab, dass die Märkte weiter wachsen und die Tipping Points zumindest bald erreicht werden.

Für Energieversorger bedeutet dies, dass spätestens jetzt ein ganzheitliches Angebot aufgebaut werden muss, das neben der Installation von Anlagen vor allem auch die intelligente Steuerung per HEMS (Home Energy Management Systems) auf Basis der Preissignale im Markt über dynamische Tarife beinhalten muss. Je nach den vorhandenen Möglichkeiten ist es unter Umständen gar nicht so wichtig, ob die Installation durch eigene Mitarbeiter, zugekaufte Tochterunternehmen oder über externe Kooperationspartner erfolgt. Entscheidend ist, dass man als Versorger am Ende die Kunden mit Strom beliefert und die Steuerung übernimmt. Hier sind einerseits die Kernkompetenzen der Versorger und zum anderen Potenziale zur Sicherung von Erlösquellen und langfristiger Kundenbindung. Gerade Stadtwerke sollten hier den Fokus setzen, um die Bedürfnisse ihrer Kunden vor Ort zu befriedigen.

  1. Überregionaler Commodity-Vertrieb

Der bundesweite Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt hat 2023 wieder enorm an Fahrt aufgenommen und wird in der Rückschau wahrscheinlich neue Höchstwerte beim Wechselaufkommen bringen. 2024 könnte die Entwicklung ähnlich verlaufen, da die Preisspreizung zwischen Bestandskundenpreisen und den Angeboten für Neukunden immer noch sehr hoch ist und vorerst auch hoch bleiben wird.

Im Strommarkt kostet die Akquisition eines Neukunden schon wieder bis zu 250 Euro (Bonus + Vertriebskosten), im Gasmarkt ist die Lage noch deutlich besser. Trotzdem ist auch hier der starke Wettbewerb in allen Vertriebskanälen spürbar.

Wer von der aktuell erhöhten Wechselbereitschaft profitieren will, muss also erst einmal viel investieren und anschließend dafür sorgen, dass die Kunden auch lange genug bleiben. Dies können Unternehmen, die schon lange Jahre im überregionalen Vertrieb tätig sind, im Normalfall besser als Stadtwerke, die sich erstmals zur Ausweitung ihres Vertriebsgebiets entscheiden. Will man erfolgreich sein, muss man gut planen, die Preis- und Wettbewerbsentwicklung pro Vertriebskanal kontinuierlich tracken und schnell auf Veränderungen reagieren. Dies bindet unter Umständen Ressourcen, die im Heimatmarkt für den Aufbau des EDL-Geschäfts, für die kommunale Wärmeplanung oder sonstige strategisch wichtige Zukunftsthemen besser genutzt werden könnten. Trotzdem kann man auch im überregionalen Vertrieb dauerhaft erfolgreich sein und gerade jetzt von der Marktentwicklung profitieren, wenn man sich von Anfang an gut aufstellt, mit den richtigen Tools arbeitet und die Besonderheiten der Vertriebskanäle berücksichtigt.

  1. Digitalisierung der Kundenschnittstelle

Die Digitalisierung auf Verbraucherseite schreitet mit großen Schritten voran. Es zahlen mittlerweile auffällig viele Kunden ihre Rechnungen mit dem Handy anstatt mit Karte, das Informations- und Kaufverhalten verlagert sich immer mehr auf Online-Kanäle und das Smartphone entwickelt sich zum Universalinstrument, mit dem das gesamte Leben gemanaged wird. Diese Entwicklung beschreibt nicht nur das Verhalten jüngerer Menschen, sondern ist in allen Altersklassen zu beobachten, auch wenn die Älteren natürlich noch etwas zögerlicher mitmachen als die Jungen.

Dennoch können es sich viele Unternehmen leisten, auf analoge Angebote zu verzichten. Der Supermarkt-Prospekt in Papierform hat langsam ausgedient, wer Rabatte will, braucht die App des Supermarktes, und Banking ohne online geht zwar noch, kostet aber richtig Geld.

Auch im Energiemarkt geht die Digitalisierung voran, aber gefühlt immer noch langsamer als in anderen Branchen. Das leidige Thema „Smart Meter-Rollout wird wohl in diesem Jahrzehnt nicht mehr vollständig gelöst und auch ansonsten ist das Thema Kundenkommunikation teilweise noch sehr rudimentär digitalisiert.

Insgesamt muss die Entwicklung aber deutlich beschleunigt werden. Einerseits erwarten die Kunden mittlerweile, dass bestimmte Sachen digital, mit dem Smartphone oder auch am Laptop zu erledigen sind, andererseits tummeln sich im Energiemarkt immer mehr Player, bei denen Digitalisierung kein Projekt, sondern elementarer Bestandteil der Unternehmens-DNA ist. Wenn diese ihren Vorsprung zum Beispiel mithilfe der sich rasant entwickelnden KI weiter ausbauen, haben sie es insgesamt leichter, Kunden zu gewinnen und zu binden, auch wenn ihre Produkte oder das Preisniveau vielleicht gar nicht besser sind. Hier muss in der etablierten Energiewelt auf allen Wertschöpfungsebenen noch einmal ein Bewusststeinswandel stattfinden. 2024 wäre ein gutes Jahr, um damit anzufangen.

 

Wir laden Sie ein, die anstehenden Themen mit uns zu diskutieren und gemeinsam maßgeschneiderte Lösungen für Ihr Unternehmen zu entwickeln.

Buchen Sie dazu ein unverbindliches Strategiegespräch oder lassen Sie uns direkt persönlich auf der E-World in Essen treffen. Wer zwischendurch noch auf dem SID (Stadtwerke Impact Day) in Lübeck ist, wird mich auch dort vorfinden.

 

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