Großes Marktpotenzial für Angebote rund um kleine Post-EEG-Anlagen

Kaum ein Gesetz hat die Energiewirtschaft so nachhaltig geprägt und verändert wie das EEG. Wie viele Marktbeobachter hätten vor zwanzig Jahren schon geglaubt, dass im Jahr 2019 46 Prozent der deutschen Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien entfallen würde? Oder dass Windenergieanlagen mehr Strom einspeisen würden als jede andere Erzeugungssparte. Das EEG mag verbesserungswürdig sein, aber es ist eine Erfolgsstory.

Ob dieser Erfolg jedoch Bestand haben wird, hängt auch davon ab, was mit den vielen Windenergie- und PV-Anlagen geschieht, die ab 2021 sukzessive aus der EEG-Förderung fallen werden. Gerade vor dem Hintergrund des Atom- und Kohleausstiegs ist diese Frage höchst brisant, zumal der Windkraftausbau zuletzt schwer ins Stocken geraten ist. Für viele Anlagenbetreiber wird ein Repowering aus finanziellen, teils aber auch rechtlichen Gründen nicht in Frage kommen. Daher wäre es aus Betreiber- wie auch aus klimapolitischer Sicht wünschenswert, wenn regulatorische und marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Weiterbetrieb der „Ü20“-Anlagen geschaffen werden. Für mittlere und große Anlagen über 100 kW hat sich hier bereits die Sonstige Direktvermarktung etabliert, die zunehmend durch direkte Stromabnahmeverträge (PPAs) ergänzt wird. Für Kleinanlagen, insbesondere PV-Anlagen unter 100 kW, scheinen diese Vermarktungsformen aber kaum wirtschaftlich abbildbar, wie auch ein aktuelles Gutachten des Umweltbundesamtes noch einmal unterstreicht.

In dem Mitte Februar veröffentlichten Gutachten wird vorgerechnet, dass unter den gegenwärtigen Marktbedingungen die Kosten für die Direktvermarktung die bei Kleinanlagen erzielbaren Börsenerlöse übersteigen. Hinzu kommt, dass die PV-Anlagen aus der frühen Zeit der EEG-Förderung für die Direktvermarktung zunächst einmal technisch ausgerüstet werden müssten, was zusätzliche Kosten verursacht. Eine profitable Alternative zur Netzeinspeisung ist es, die Ü20-Anlagen zum Eigenverbrauch zu nutzen. Allerdings stellt sich immer noch die Frage, was mit dem Überschussstrom geschehen soll, der nicht vor Ort verbraucht wird und der nach einer Prognose aus dem UBA-Gutachten rund drei Viertel der erzeugten Strommengen ausmachen wird.

Denn eine „wilde Einspeisung“, d.h. die Netzeinspeisung ohne einen kaufmännischen Abnehmer, wird von den Netzbetreibern nicht geduldet werden. Die Abregelung der Netzeinspeisung von Ü20-Anlagen ist eine Möglichkeit, aber nicht wünschenswert. Das Umweltbundesamt schlägt übergangsweise ein regulatorische Lösung vor: Die Betreiber erhalten den Marktwert des Stroms von den Übertragungsnetzbetreibern „durchgeleitet“, die den Strom wie gehabt an der Börse vermarkten und ihre Kosten aus dem Bundeshaushalt entschädigt bekommen. Ob eine solche Lösung kommt, ist aber höchst ungewiss und würde das Problem ohnehin nur aufschieben. Früher oder später müssen marktwirtschaftliche Lösungen her, zumal die Anzahl der ausgeförderten Anlagen Jahr für Jahr zunehmen wird.

Laut der Bundesnetzagentur sind es in 2021 rund 10.000 PV-Anlagen, die aus der Förderung fallen; in den Folgejahren steigt diese Anzahl stark an. Anfang 2026 liegt die kumulierte Anzahl bei rund 190.000 PV-Anlagen, Anfang 2031 bereits bei rund 860.000.

Anzahl der jährlich neu hinzukommenden Ü20-PV-Anlagen (Quelle: BNetzA, 2019)

Dabei liegt die durchschnittliche Leistungsgröße der Ü20-PV-Anlagen noch bis 2024 deutlich unter 10 kW und auch in den Jahren danach dominieren Anlagen unter 30 kW. Das Marktpotenzial für Angebote, die sich an Betreiber kleiner Ü20-PV-Anlagen richten, ist also erheblich.

Jährlich hinzukommende Leistung von Ü20-PV-Anlagen nach Leistungsklassen (Quelle: Umweltbundesamt 2020)

Die Betreiber, dies zeigt eine Befragung von EuPD Research von 2019, erwarten Informationen und Vorschläge zum Weiterbetrieb nach dem Förderende vor allem von Seiten der Energieversorger und Netzbetreiber. Jeweils rund die Hälfte der Befragten erklärten dies. Eine Befragung des Fraunhofer ISE aus dem vergangenen Jahr hat außerdem ergeben, dass 84 Prozent der befragten PV-Anlagenbetreiber für den Weiterbetrieb nach Förderende zu neuen Investitionen bereit sind. In Verbindung mit der sukzessive stark ansteigenden Anzahl der Ü20-PV-Anlagen spricht also vieles dafür, dass hier ein interessantes neues Marktsegment für Energieversorger entsteht, das vor allem ab 2025 ein signifikantes Marktvolumen haben wird.

Es wird sich bei den Ü20-Anlagenbetreibern schnell herumsprechen, dass die profitabelste Möglichkeit des Weiterbetriebs in der Regel in einem möglichst hohen Eigenverbrauch liegt. Ein großer Teil der Ü20-Anlagen der ersten Generation muss dafür zunächst einmal an das Hausnetz angeschlossen und mit einem Messsystem ausgestattet werden, das den Eigenverbrauch bzw. die Netzeinspeisung registriert. Damit ergibt sich ein erster Kundenkontaktpunkt, der für die Vermarktung weiterer Leistungen genutzt werden sollte. Diese können bspw. in Stromspeichern, Energiemanagementsystemen, Geräten zur elektrischen Warmwasserbereitung oder Wallboxen bestehen.

Für den überschüssigen, ins Netz eingespeisten Strom müssen Wege der Vermarktung gefunden werden, die auch nach dem Wegfall der Einspeisevergütung bzw. der Marktprämie und auch für kleinere Anlagenbetreiber kostendeckend sind. Cloud- und Community-Modelle, Peer-to-Peer-Handelsplattformen und Regionalstromplattformen könnten dabei eine wichtige Rolle spielen.

Mehr dazu können Sie im Schwerpunktthema der Februar-Ausgabe unseres monatlich erscheinenden Branchenreports Energiemarkt Aktuell nachlesen.

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