Fünf Trendthemen 2019

Die Energiewirtschaft ist durch die Digitalisierung einem strukturellen Veränderungsprozess unterworfen, der nur schwer zu steuern ist. Schier unmöglich scheint es aus der Perspektive des kleinen, regional agierenden Stadtwerks, bei den digitalen Geschäftsmodellen mit den globalen Playern der IT-Branche mitzuhalten oder gegenüber diesen gar Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Chancen bieten sich jedoch sehr wohl, und zwar im Zusammenhang mit der Smart City, die nicht nur auf Services und Software basiert, sondern zuerst auf Infrastruktur wie den Versorgungsnetzen für Energie, Telekommunikation und auch Verkehr. Gerade im Energiebereich, der in der Smart City eine zentrale Rolle spielt, sind Stadtwerke und kommunale Netzbetreiber beim Aufbau einer durchgängigen Smart Meter-Infrastruktur in der Hauptverantwortung und haben die Möglichkeit, sich an einem neuralgischen Punkt, der zugleich eine unerschöpfliche Datenquelle darstellt, strategisch zu positionieren. Mit sekundengenauen Smart Meter-Daten kann man mindestens genauso tief in die Haushalte hineinschauen, wie dies Amazon oder Google mithilfe digitaler Sprachassistenten, Smart TVs oder Smart Home-Komponenten heute schon tun. Der Smart Meter kann, verbunden mit neuen Mehrwertleistungen, die den Kundennutzern spürbar erhöhen, die neue Kundenschnittstelle für Energieversorger werden.

Die meisten aktuellen Trends wie Blockchain, Künstliche Intelligenz, Plattformen oder eben die Smart City können ohne Echtzeit-Daten zum Verbrauch und zur Einspeisung von Energie entweder nicht realisiert werden oder ihre volle Wirkung nicht entfalten. Weitgehend ohne Smart Meter werden sich diese Themen jedoch 2019 ihren Weg bahnen.

Blockchain

Die Blockchain gilt gemeinhin als Instrument, das Vermittler überflüssig machen kann, weil sie deren Aufgaben zu einem Bruchteil der Kosten übernimmt und dabei weitestgehend manipulationssicher ist. Damit ist ihr disruptives Potenzial unbestritten und es ist davon auszugehen, dass auch 2019 die unterschiedlichsten Blockchain-basierten Projekte im Energiemarkt gestartet werden. Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor die effiziente Abwicklung dezentraler Versorgungskonzepte, d.h. der Ausgleich zwischen dezentralen Erzeugern und Verbrauchern in Echtzeit. Hierbei hat die Blockchain Vorteile und steht nicht im Wettbewerb mit vorhandenen Infrastrukturen oder im Widerspruch zu regulatorischen Rahmenbedingungen. Die aktuellen Projekte werden derzeit aber eher genutzt, um Erfahrungen zu sammeln und das Potenzial der Technologie besser zu verstehen. Schließlich müssen mittelfristig für die Energiebranche optimierte Blockchain-Konzepte entwickelt werden, wie dies viele Startups derzeit tun. Je nachdem, in welchen Bereichen die Blockchain dann Vorteile bietet, könnte sie zum zentralen Treiber für einen schnelleren Smart Meter-Rollout werden.

Zu guter Letzt ist die Blockchain auch davon abhängig, dass die vielen, kleinen Transaktionen nicht nur effizient durchgeführt, sondern auch entsprechend intelligent gesteuert werden können.

Künstliche Intelligenz

Neben den Blockchain-basierten Geschäftsmodellen, die auf eine intelligente Steuerung angewiesen sind, wird Künstliche Intelligenz derzeit vor allem bei der Kundenkommunikation und der Analyse großer Datenmengen eingesetzt.

Setzt man maschinelles Lernen zur Analyse von Daten ein, so offenbart die Software oftmals Zusammenhänge, die gängige Methoden nicht erkennen. Dies kann dazu beitragen, Kundengruppen neu zu segmentieren und individuelle Maßnahmen, z.B. zur Kundenbindung oder zum Vertrieb neuer Produkte zu entwickeln. Damit schafft die Künstliche Intelligenz die Voraussetzung für eine bessere Kundenansprache und mehr Erfolg im Vertrieb auf Basis eigener und ggf. zusätzlicher externer Daten. Es ist mit einem massiven Zuwachs solcher Big Data-Analysen und entsprechend auch bei neuen Produkten und Mehrwertlösungen zu rechnen, die ganz auf die Bedürfnisse kleinster Zielgruppen abgestimmt sind.

Im Kundenservice werden zunehmend Chatbots genutzt, die einfache Kundenanfragen beantworten können. Dies ermöglicht die Ausweitung der Service-Zeiten auf 24/7/365 und erlaubt es den Servicemitarbeitern, sich auf komplexere Fragestellungen oder den Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte zu konzentrieren.

Digitale Sprachassistenten wie Alexa oder Google Assistant, die heute hauptsächlich zur Steuerung von Unterhaltungselektronik und Smart Home-Komponenten oder zur Beantwortung von Fragen genutzt werden, halten künftig Einzug in alle möglichen Arten von vernetzten Geräten. Ob im Fernseher, im Auto oder im Spiegel, überall wo künstliche Intelligenz das Leben erleichtern kann, z.B. durch Schminktipps, Unterstützung beim Kochen oder Handwerken, werden solche Systeme zum Einsatz kommen. Die Technik ist günstig und die Internetanbindung wird in Zukunft ohnehin überall mitgeliefert.

Damit ergeben sich auch vermehrt Anwendungsmöglichkeiten für Kommunen und Energieversorger im Rahmen der Daseinsvorsorge. Aufgrund der rasanten Entwicklung, sowohl was Verbreitung als auch die Intelligenz der Systeme anbelangt, werden die Kunden sich aber nicht mit Stückwerk zufriedengeben, sondern umfassende Anwendungen erwarten, die aus einer verstaubten Verwaltung eine durchgängig digitalisierte Serviceorganisation machen.

Smart City

Die intelligente, digitale Stadt ist aus heutiger Sicht noch weit entfernt. Allerdings werden überall neue, digitale Services eingeführt, die aus einer Vielzahl von scheinbar nicht zusammenpassenden Puzzleteilen am Ende eine Smart City entstehen lassen. Heute sehen wir schon Echtzeit-Informationen zum ÖPNV, öffentliches WLAN, Alexa-Skills für den Müllkalender oder erste Ansätze eines digitalen Antragswesens in der öffentlichen Verwaltung. Künftig werden diese Services zunehmen und auf weitere Lebensbereiche ausgeweitet, z.B. im Bereich intermodaler Mobilitätskonzepte, bei der medizinischen Versorgung, aber auch im Energiebereich, durch Smart Meter und Smart Grids.

Die Kommunen als Betreiber öffentlicher Infrastruktur wie der Verkehrs-, Strom- und Gas- sowie ggf. auch der Datennetze, sind angehalten, diese im Hinblick auf die Erfordernisse der Digitalisierung auszubauen. Gleichzeitig muss auch in den hoheitlichen Bereichen die Digitalisierung mit Nachdruck vorangetrieben werden, damit die Kommune nicht den Anschluss an Wirtschaft und Bürger verliert.

Um dies strukturiert und zielführend zu schaffen, sind Systeme notwendig, die die Einzelleistungen intelligent miteinander verbinden und ein durchgängiges Angebot entstehen lassen, wie wir das von anderen Plattformen wie Amazon oder Google bereits kennen.

Plattformen

Die Plattform-Economy ist gekennzeichnet durch immer größere Einheiten, die versuchen möglichst viele menschliche Bedürfnisse aus einer Hand zu befriedigen. Die Plattform geriert sich dabei als Filter, Qualitäts- und Servicegarant, ohne die eigentlichen Leistungen selbst zu erbringen. Was wie eine Dienstleistung klingt „wir bieten Dritten eine Plattform zur Vermarktung ihrer Produkte und Services“ kann sich für die Anbieter allerdings sehr schnell zum Alptraum entwickeln. Je stärker und allumfassender die Plattform wird, desto weniger Relevanz hat der einzelne Anbieter im Hintergrund. Da spielt es am Ende vielleicht gar keine Rolle mehr, welcher Stromanbieter am Ende die Versorgung übernimmt, so lange sich die Plattform einfach darum kümmert, dass der Strom fließt und abgerechnet wird. Energieversorger sind einerseits damit konfrontiert, ihre traditionellen Geschäftsfelder zu schützen und müssen andererseits neue Geschäftsfelder besetzen, in denen sich internationale Internetgiganten oder auch Konzerne wie Volkswagen ausbreiten. Um mittelfristig nicht in die zweite Reihe als austauschbarer Zulieferer abzurutschen, sind Plattformkonzepte gefragt, die es Stadtwerken und Kommunen ermöglichen, den direkten Zugang zum Kunden zu behalten und die Kundenbeziehung auszubauen. Ansätze wie die digitale Plattform für kommunale Services (DIPKO) zeigen bereits, in welche Richtung dies gehen kann, aber auch etablierte Stadtwerke-Kooperationen und Verbände müssen schnell Lösungen erarbeiten, die die Zukunftsfähigkeit von Stadtwerken und Kommunen im Blick haben.

IT-Sicherheit im Fokus

Da es bei den digitalen Services der Zukunft vor allem um Leistungen innerhalb kritischer Infrastrukturen geht, ist eine sichere IT-Landschaft für den Erfolg unerlässlich. Die Bemühungen um höchstmögliche Sicherheit zeigen sich an Regelwerken wie der Datenschutzgrundverordnung genauso wie bei den Vorgaben für die Smart Meter-Infrastruktur. Leider scheint es, als würden die komplexen und teils nur schwer umzusetzenden Sicherheitsanforderungen den dringend notwendigen Umbau der Energiesysteme bremsen und verteuern. Während wir 2019 anfangen, Smart Meter mit eingeschränkten Funktionalitäten auf den Markt zu bringen, kommen mit Sprachassistenten, Smart Home-Systemen und anderen vernetzten Geräten Services auf den Markt, mit denen die Anbieter die Kundendaten gewinnen, die sonst möglicherweise über den Smart Meter generiert werden könnten. Der Wert der Smart Meter-Daten wird damit jedenfalls gemindert.

Nichtsdestotrotz bleibt die IT-Sicherheit natürlich auch 2019 ein zentrales Thema. Es ist jedoch abzuwägen zwischen den Sicherheitsanforderungen für abrechnungsrelevante Daten oder kritische Systeme und denen für Mehrwertleistungen, bei denen der Versorger auch im Kostenwettbewerb mit Unternehmen steht, deren Interessen an den Kundendaten selbst das größte Risiko für den Kunden darstellen.

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